Digitaler Minimalismus: Mehr Zeit fürs echte Leben

Digitaler Minimalismus

Hast du dich schon einmal dabei ertappt, wie du eigentlich ganz gezielt etwas auf deinem Handy nachschauen wolltest – nur um Minuten später wie aus einer Trance wieder im Hier und Jetzt aufzuwachen?

Die Welt, in der wir leben, ist geprägt von ständiger digitaler Ablenkung. Wir scrollen durch soziale Medien, lassen uns von Push-Benachrichtigungen unterbrechen und verbringen unzählige Stunden vor Bildschirmen. Doch was wäre, wenn es einen Weg gäbe, diese digitale Flut zu bändigen und unser Leben wieder mit Aktivitäten zu füllen, die uns wirklich bereichern? Das ist die Idee hinter dem Digitalen Minimalismus.

Was ist Digitaler Minimalismus?

Digitaler Minimalismus ist eine Lebenshaltung, bei der digitale Technologien nur in dem Masse in unser Leben gelassen werden, wie sie uns echten Nutzen bringen. Es geht darum, die Online-Zeit bewusst und achtsam zu gestalten und die dadurch gesparte Zeit mit Dingen zu füllen, die uns langfristig glücklich machen. Im Gegensatz dazu steht der digitale Maximalismus, bei dem digitale Tools das Leben der Menschen dominieren. Ständige Erreichbarkeit, endloses Scrollen und die Angst, etwas zu verpassen (FOMO) sind nur einige der negativen Begleiterscheinungen.

«Technik im Griff oder im Griff der Technik?»

Schritt für Schritt zu einem achtsameren digitalen Leben

Digitaler Minimalismus bedeutet nicht, dass du digitale Geräte komplett aus deinem Leben verbannen sollst. Vielmehr geht es darum, sie sinnvoll zu nutzen. Hier sind einige Tipps, wie du dein Leben weniger durch die Technologie bestimmen lässt und das Zepter selbst wieder in die Hand nimmst:

1. Push-Benachrichtigungen deaktivieren
Diese ständigen Unterbrechungen sorgen dafür, dass wir uns weniger konzentrieren können. Indem du sie deaktivierst, wird aus einer Reaktion eine Aktion: Du entscheidest so selbst, wann du deine Nachrichten checkst.

2. Smartphone ausser Sichtweite lassen 
Selbst, wenn dein Handy nur auf dem Tisch liegt, zieht es unsere Aufmerksamkeit auf sich. Studien zeigen, dass ein Smartphone sogar Gespräche stört, wenn es gar nicht verwendet wird – allein die Präsenz eines Handys reicht aus, um uns abzulenken. Probiere deshalb, dein Handy öfter mal in der Tasche oder sogar zuhause zu lassen.

3. Apps ausmisten
Lösche jene Apps, die deine Aufmerksamkeit fressen, ohne viel Mehrwert zu bieten. Wenn du noch nicht an dem Punkt angelangt bist, wo du deine Lieblings-Social Media-App löschen möchtest, kannst du dich in einem ersten Schritt auch mal ausloggen. Indem du dich zuerst mühsam wieder einloggen musst, hat dein Gehirn die Möglichkeit, sich bewusst für oder gegen diese Aktion zu entscheiden. Möchtest du wirklich zum 5. Mal heute durch deinen Feed scrollen oder machst du dies aus reiner Gewohnheit?

4. Feste Zeitfenster für Online-Aktivitäten definieren
Plane feste Zeiten für deine Online-Aktivitäten ein und halte dich daran. Zu Beginn wird es schwer sein, dein Handy nicht bei jeder kleinsten Regung von Langeweile hervorzunehmen. Du wirst jedoch bald feststellen, wie viel mehr Zeit für andere Aktivitäten du so hast. 

5. Nutze die Technologie zu deinen Gunsten
Dieser Tipp klingt im ersten Moment widersprüchlich. Tatsächlich gibt es jedoch Apps, die dir dabei helfen, dein Smartphone achtsamer zu benutzen. Das App «Forest» hilft dir auf spielerische Weise dabei, dein Smartphone für eine gewisse Zeit nicht zu benutzen. Oder du änderst deine Einstellungen (Android oder iPhone), so dass deine Online-Umgebung nur noch in Schwarz-Weiss anzeigt wird. Dies reduziert die Attraktivität deines Smartphones massiv und hilft dir dabei, weniger Zeit am Handy zu verbringen.

Ein 30-Tage-Digital-Detox-Plan

Ein 30-Tage-Digital-Detox ist ein radikaler, aber effektiver Ansatz, um die Kontrolle über dein digitales Leben zurückzugewinnen. In dieser Zeit geht es darum, einen achtsameren Umgang mit technischen Geräten zu erlernen und die dadurch entstandene freie Zeit für Dinge zu nutzen, die dir einen echten Mehrwert im Leben bieten.

«Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist nicht viel Zeit, die wir nutzen.»
– Seneca

Zu Beginn deines Digital Detox ist es wichtig, zwischen zwingend notwendigen und verzichtbaren Apps und technischen Geräten zu unterscheiden. Dazu gibt es keine Regeln, was als «unverzichtbar» gilt und was nicht. Für eine Person ist Whatsapp nur ein lustiger Zeitvertreib, für die anderen ist es das einzige Mittel, um mit Mitmenschen in Verbindung zu bleiben. Du entscheidest, welche Technologie du in deinem Alltag zwingend benötigst. Notiere diese auf einer Liste.

Nun beginnt der eigentliche Detox. Stelle alle unnötigen Online-Aktivitäten ein, soweit es dein Job und dein Alltag erlauben und verwende nur noch die Geräte und Apps, die du auf deiner Liste notiert hast. In den ersten Tagen kannst du mit Entzugserscheinungen und dem berühmten FOMO (Fear of Missing Out, die Angst, etwas zu verpassen) rechnen. Doch keine Sorge: Diese Gefühle legen sich meist schon nach wenigen Tagen. Nutze die gewonnene Zeit, um herauszufinden, welche Werte und Interessen dir wirklich wichtig sind. Widme dich Aktivitäten, die dir Freude bereiten und dich erfüllen, wie Lesen, Gärtnern, Sport oder das Treffen von Freunden.

Nach 30 Tagen ist es Zeit, digitale Technologien wieder in deinen Alltag zu integrieren – aber diesmal bewusst und selektiv. Stelle dir folgende Fragen: Was brauche ich wirklich? Welche Technologie hilft mir im Alltag und wie kann ich den Nutzen maximieren, während ich gleichzeitig den Schaden begrenze?

Zum Beispiel: WhatsApp hilft dir, mit deinem Umfeld in Kontakt zu bleiben. Setze dir pro Tag zwei Zeitfenster von 30 Minuten, um alle Nachrichten gebündelt zu beantworten. Außerhalb dieser Fenster öffnest du die App nicht und schaltest die Benachrichtigungen aus. Die nicht notwendigen Geräte und Apps solltest du genau evaluieren, bevor du sie wieder in deine Technik-Routine mit einbeziehst. Da diese Technologien weiterhin optional sind, solltest du sie auch so behandeln. Nutze nur jene Technologien, die dir wirklich Freude und einen Mehrwert bringen, und definiere klare Regeln, wann und wie du sie nutzt.

Gesünder, glücklicher, produktiver: Die positiven Effekte des Digitalen Minimalismus

In einer Welt, in der wir durchschnittlich fünfeinhalb Stunden pro Tag vor Bildschirmen verbringen, leiden nicht nur unsere sozialen Kontakte, sondern auch unsere mentale Gesundheit. Studien zeigen, dass das Verlangen nach sozialen Netzwerken mit der Sucht nach Nikotin oder Alkohol vergleichbar ist. Unser Gehirn verändert sich, Bereiche für emotionale Verarbeitung, Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung verlieren an weisser Substanz. Das Ergebnis? Einsamkeit, innere Unruhe, schlechteres Selbstwertgefühl und sogar Stress und Ängste.

Diese Symptome können mithilfe des Digitalen Minimalismus reduziert werden. Ausserdem verhilft uns das bewusstere Zeitmanagement und eine verbesserte Konzentration zu mehr Produktivität und auch tieferen sozialen Verbindungen. Die freie Zeit, die sich durch die Reduktion der Bildschirmzeit ergibt, bereichert dein Leben. Du kannst die gewonnene Zeit nun für neue Hobbys, einen Austausch mit deinen Liebsten oder andere persönliche Interessen nutzen. Vielleicht liest du vor dem Einschlafen wieder mal in einem Buch? So kann sich Digitaler Minimalismus sogar positiv auf deinen Schlaf auswirken.

Fazit

Digitaler Minimalismus soll kein Verzicht, sondern eine Befreiung darstellen. Es geht darum, bewusst mit unserer Zeit und Aufmerksamkeit umzugehen und uns auf die Dinge zu konzentrieren, die uns wirklich erfüllen. Indem wir unsere digitale Welt auf das Wesentliche reduzieren, schaffen wir Platz für ein reichhaltigeres und zufriedeneres Leben. Bist du bereit, die Kontrolle über dein digitales Leben zurückzugewinnen?

Referenzen
Moody, R., & Moody, R. (2024, 20. März). Screen Time Statistics: Average Screen Time by Country. Comparitech. https://www.comparitech.com/tv-streaming/screen-time-statistics/
Newport, C. (2019). Digitaler Minimalismus: Besser leben mit weniger Technologie. Redline.
Schüssler, M. (2023, 19. Januar). Digitaler Minimalismus: Fünf Tricks, um das Handy in die Schranken zu weisen. Tages Anzeiger. https://www.tagesanzeiger.ch/fuenf-tricks-um-das-handy-in-die-schranken-zu-weisen-372472694809
Seok, J., & Sohn, J. (2018). Altered Gray Matter Volume and Resting-State Connectivity in Individuals With Internet Gaming Disorder: A Voxel-Based Morphometry and Resting-State Functional Magnetic Resonance Imaging Study. Frontiers in Psychiatry, 9. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2018.00077

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