Schlafprobleme
Na, ausgeruht und ausgeschlafen?
Gehörst du zu den Glücklichen, die sich am Abend ins Bett legen, einkuscheln und sofort einschlafen? Oder zählst du eher zur Gruppe, die lange wach liegt, keinen Schlaf findet und wenn sie dann mal eingeschlafen sind, wenig später wiedererwachen und nicht mehr einschlafen können? In dieser Situation wirkt der Wecker frühmorgens als Erlöser, auch wenn man wie gerädert aus den Federn steigen muss.
Letztere Personen verfügen oft über ein ganzes Arsenal an Methoden und Ritualen, mit denen sie ihre Schlafprobleme zu beheben versuchen. Es geht los mit exzessiver Bewegung („ich muss mich müde machen“) oder Schonung („ich darf mich nicht aufregen und gehe früh ins Bett, weil ich doch so müde bin“) bis hin zu allerlei Meditations- und Entspannungstechniken, Schlaf- und Beruhigungstees, angeblich schlaffördernde Diäten, mentale Zeitreisen und zahlreiche medikamentöse Versuche. Der Frust ist dann gross, wenn der Schlaf trotzdem nicht kommt. Im Gegenteil, es entstehen Schuldgefühle und man fühlt sich unzulänglich, traurig, wütend und ängstlich, dass es einfach nicht klappt. Diese Gefühle lösen eine ganze Reihe von körperlichen Reaktionen wie Anspannung, Nervosität, Zittern und Herzklopfen aus, was ein entspanntes Einschlafen gänzlich verhindert. So liegen die Schlafgeplagten häufig einfach lange wach im Bett. Sind der Meinung, dem Körper, wenn keinen Schlaf, so doch wenigstens etwas Ruhe zu gönnen und bleiben dann stundenlang liegen - mit Konsequenzen.
Kommt dir das bekannt vor?
Grübeln als Folge der Schlafstörung
Unser Gehirn arbeitet immer – Tag und Nacht. Das stundenlange Wachliegen nutzt es für allerlei Gedanken über längst vergangene Ereignisse oder wie zukünftige Probleme gelöst werden können. Nachts sieht alles schlimmer aus, und es entsteht leicht ein ausgeprägtes Gedankenkreisen oder Grübeln. Das ist eigentlich ganz normal, denn das Gehirn ist überflutet mit dem körpereigenen Hormon Melatonin, das uns in eine eher düstere und grüblerische Stimmung versetzt. Melatonin macht uns aber auch müde und erleichtert das Einschlafen. Dies ist wichtig, da wir jede Nacht mehrfach wach werden. Wir sind während der Nacht nicht im Koma. Das Wachwerden-Können ist eine Notwendigkeit für das menschliche Leben. Es verhindert Druckstellen an den Gliedmassen, auf denen wir liegen, indem wir die Liegeposition verändern. Es bewirkt, dass wir nach dem hungernden Baby schauen, wenn es nach uns schreit. Wir können auch blitzschnell wach werden, wenn eine Gefahr droht. Das ist ein geschickter Schachzug der Evolution: Wir haben die Fähigkeit entwickelt, nachts wach zu werden, ohne sofort in eine Hochstimmung zu geraten. Wir checken lediglich, ob noch alles in Ordnung ist und schlafen dann weiter. Hat sich jedoch eine Schlafstörung etabliert und die Wachphasen werden länger, so bemerken wir eine düstere nächtliche Grundstimmung und wir werden zum Grübeln verleitet. Das Grübeln ist zumeist nicht Ursache, sondern Folge der Schlafstörung.
Allgemeine Ratschläge greifen zu kurz
Es gibt viele Gründe für das Entstehen von Schlafstörungen und jeder Mensch mit Schlafproblemen ist einzigartig. Deswegen lohnt es sich, genau hinzuschauen, die Ursachen zu ergründen und individuelle Lösungsansätze zu erarbeiten. Hin und wieder schlecht schlafen ist normal. Hier helfen dann oft Entspannungsübungen, Gespräche in der Familie oder einfache schlafhygienische Massnahmen. Wenn man jedoch mehrfach in der Woche nicht ein- oder durchschlafen kann, dies über mehrere Wochen geschieht, tagsüber die Leistungsfähigkeit oder die Tagesbefindlichkeit leidet und man anfängt sich Sorgen zu machen, sprechen wir von Schlafstörungen (einer sogenannten Insomnie). Alarmglocken sollten auch klingeln, wenn der Schlaf trotz genügendem Schlaf als nicht erholsam empfunden wird und tagsüber sich eine Tagesmüdigkeit/Tagesschläfrigkeit zeigt, d.h. ein ungewolltes Einnicken beim Fernsehschauen, bei Gesprächen, in monotonen Situationen oder gar beim Fahren. Hier könnte eine organisch bedingte Schlafstörung dahinterstecken. Als organische Ursachen können Schnarchen mit Atempausen oder ausserordentliche Bewegungen vor bzw. während des Schlafs sein. Ratschläge zu befolgen, die überall zu lesen sind, greifen dann oft zu kurz und es ist wichtig, die Symptomatik von einer Fachperson abklären zu lassen. In der Schlafmedizin wird beispielsweise unterschieden ob jemand ein ruhiger oder unruhiger Schläfer ist, unter Schläfrigkeit oder Müdigkeit am Tag, an Schlaflosigkeit oder nicht erholsamem Schlaf leidet. Auch wird der Lebensstil (über- oder unterfordernd) der betroffenen Person befragt und welche Belastungen vorhanden sind. Es gibt eine Reihe von psychischen Erkrankungen, die mit Schlafstörungen assoziiert sind, z.B. Depressionen oder Angststörungen. Diese gilt es zu diagnostizieren und gesondert zu behandeln. Oft sind es auch Teufelskreise, die sich etabliert haben, wie Angst vor dem Zubettgehen, sich in der Nacht quälen, weil der Schlaf nicht kommt, Anspannung, die den Schlaf erst recht verhindert, sowie ein Aufbauen von unrealistischen Erwartungen an sich und das eigene Schlafverhalten. Sind alle möglichen Ursachen ergründet, können die Massnahmen zu deren Behebung erarbeitet werden. Oft gibt es eine Reihe von Massnahmen, die miteinander kombiniert werden müssen, um eine deutliche Besserung zu erzielen.
Innere und äussere Antreiber
Wir werden unser ganzes Leben von Erwartungen begleitet. Oft sind es die äusseren Erwartungen, die leichter zu identifizieren sind. Die Firma erwartet gute Zahlen und die Projekte müssen mit guten Ergebnissen abgeschlossen werden. Du gibst dein Bestes, um diese Erwartungen zu erfüllen. Das nennt man äussere Antreiber. Wenn die Vorgesetzte schon lange mit dem Ergebnis zufrieden ist, du aber immer noch nicht ruhen kannst, sind oft die inneren Erwartungen an uns selbst aktiv. Diese nennt man innere Antreiber und sie flüstern uns beispielsweise zu: „sei perfekt“, „du darfst keine Fehler machen“, „sei überall beliebt“, „enttäusche niemanden“. Diese inneren Antreiber können so aktiv sein, dass der Betroffene beruflich wie privat, ob berufstätig oder bereits Rentner, nicht zur Ruhe kommt. Und sie begünstigen oft die nächtlichen Grübelphasen. So beschäftigt sich eine Behandlung zumeist mit Erwartungen, die wir an uns, aber auch an den Schlaf stellen. Denn auch überhöhte Erwartungen an den Schlaf und das eigene Schlafverhalten verhindern ein entspanntes Schlafen. Überhöhte Erwartungen an den Schlaf können beispielsweise sein: „ich muss immer vor Mitternacht einschlafen“, „ich muss jede Nacht wie ein Stein durchschlafen“ oder „ich muss jede Nacht 8 Stunden schlafen“. Diese und andere Erwartungen gilt es zu identifizieren und zu hinterfragen, ob sie für ein entspanntes Ein- und Durchschlafen hilfreich sind.
Mit diesen Ausführungen soll deutlich gemacht werden, dass bei Schlafstörungen oft nicht einfach ein paar Ratschläge zu deren Behebung befolgt werden können, sondern eine differenzierte Abklärungs- und Vorgehensweise notwendig ist. Leidest auch du an Schlafproblemen so bist du nicht alleine, denn rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung kennt Probleme mit dem Schlafen aus eigener Erfahrung und jede zehnte Person in der Schweiz leidet an einer behandlungsbedürftigen Schlafstörung. Lass dir frühzeitig helfen und kümmere dich um deinen Schlaf – die wichtigste Quelle deiner Erholung!
Dieser Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Eva Birrer, eidg. anerkannte Psychotherapeutin und Somnologin SGSSC/DGSM geschrieben. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Autorin.
Bist du am Thema Schlaf interessiert? In unserer Rubrik Schlaf findest du viele weitere Informationen rund ums Schlafen. Weiter könnten dich die Beiträge «Schlaf gut, Corona» oder in der warmen Jahreszeit «Schlafen statt schwitzen» interessieren. Viel Spass beim Lesen und bis bald!