Power napping: Ein kurzes Nickerchen gegen Stress

Powernap

Spätestens mit dem letzten Gähner auf dem Weg ins Büro ist die Nacht Geschichte. Wer zur Arbeit geht, lässt die Müdigkeit hinter sich. Denn am Arbeitsplatz sind klare, wache Köpfe, Produktivität und Effizienz gefragt. Dies scheint in unserer westlichen Welt zumindest die Wirtschaft so zu sehen.

Begriffe wie Erholung und Entspannung haben in unserem leistungsorientierten Denken nur selten Platz. Am Arbeitsplatz dominiert die Philosophie, dass, abgesehen von den obligaten Pausen, die Themen Erholung und Entspannung klar in den Bereich der Freizeit gehören. Entgegen der Wirtschaft sagt die Wissenschaft, dass wir Erholung und Entspannung brauchen, um leistungsfähig zu sein und zwar nicht nur ausserhalb von «Nine to Five».


«Schlaf ist für den Menschen, was das Aufziehen für die Uhr»
– Arthur Schopenhauer –


Erholung und Entspannung haben viele Gesichter – das Wichtigste ist der Schlaf. Neben dem Nachtschlaf bekommt das Nickerchen zwischendurch oder der «Powernap», wie es auch genannt wird, immer mehr Beachtung.

«inemuri» oder was wir von China und Japan lernen können

Auch wenn andere Länder seit Jahrtausenden von den Vorzügen des Nickerchens wissen, wird in den westlichen Nationen und auch bei uns in der Schweiz die Ruhezeit am Arbeitsplatz immer noch als Zeitverschwendung oder Zeichen von Faulheit angesehen. So ist beispielsweise das Recht auf ein Nickerchen seit 1949 in der chinesischen Verfassung verankert. In Japan ist das Nickerchen in der Arbeitswelt ideologisch akzeptiert und wird von einigen Unternehmen sogar dringend empfohlen. Dafür wird der Begriff «inemuri» verwendet, was wörtlich so viel bedeutet wie «schlafen, während man anwesend ist».

Wie sieht es an deinem Arbeitsplatz aus? Ist es gern gesehen, wenn du ab und an ein Nickerchen machst, um neue Energie zu tanken? Oder ist es eher ein Tabu, sich mal für 20 Minuten zurückzuziehen, hinzuliegen und zu entspannen?

Ein Powernap braucht Mut

Schlafen während der Arbeitszeit ist für viele Schweizerinnen und Schweizer undenkbar. Obschon uns allen das Konzentrationstief direkt nach dem Mittagessen bekannt ist, folgen nur wenige dem Bedürfnis des Körpers nach Ruhe und Entspannung und legen sich für 20 bis 30 Minuten hin. Wer sich zum Schlafen zurückzieht, gilt in unseren Breitengraden schnell als passiv, faul und unproduktiv. Klar ist, dass ein Powernap am Arbeitsplatz heutzutage Mut braucht. Geht es nach der Wissenschaft, so ist ein Umdenken der Wirtschaft, was Ruhe und Entspannung am Arbeitsplatz betrifft, dringend nötig. Denn 20 Minuten Erholung sorgen nachweislich dafür, dass wir anschliessend konzentrierter arbeiten.

Kurzes Nickerchen – grosse Wirkung

Um nach dem Mittagessen die Wachsamkeit zu erhöhen, die Kreativität anzuregen und die Leistung bei komplexen Aufgaben zu verbessern, sollte man nach aktuellem Stand der Forschung einen Mittagsschlaf halten. Dabei hängt der Erholungswert sowohl vom Zeitpunkt als auch von der Dauer des Nickerchens ab.

Metaanalysen zufolge verbessert ein Nickerchen am Nachmittag alle Arten von kognitiven Leistungen. Besonders positiv beeinflusst es die Leistung bei Aufgaben, die logisches Denken, Reaktionszeit und Symbolerkennung erfordern. Des Weiteren scheint sich der Powernap auch auf alle Arten des Gedächtnisses (prozedurales, deklaratives und Kurzzeitgedächtnis) auszuwirken.
Ein Nickerchen am Tag bietet zudem weitere Vorteile wie Entspannung, geringere Müdigkeit und eine Verbesserung der Stimmung. Untersuchungen weisen weiter darauf hin, dass ein Powernap sowohl Kreativität als auch Produktivität und die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern kann.

Das klingt vielversprechend. Hast du dich eben auch gefragt, wie lange diese Effekte wohl anhalten? Diesbezüglich ist sich die Wissenschaft uneinig. Einer neusten Metaanalyse zufolge treten die positiven Auswirkungen des Powernaps hauptsächlich 30 bis 120 Minuten nach dem Aufwachen auf. In den 30 Minuten unmittelbar nach dem Nickerchen zeigten sich keine grossen Effekte, was womöglich Auswirkungen der Schläfrigkeit direkt nach dem Aufwachen sind. Vielleicht kennst du das selbst, dass du direkt nach dem Aufwachen keine grossen Sprünge machen kannst, auch wenn du nur 30 Minuten geschlafen hast. Gib dir also nach deinem Powernap etwas Anlaufzeit und erwarte nicht direkt nach dem Aufwachen einen Leistungsboost. Gib deinem Körper die Zeit, um wieder auf Touren zu kommen und achte dich, ob sich das Leistungshoch in den 30 bis 120 Minuten nach deinem Nickerchen einstellt.

In der Kürze liegt die Würze

Vielleicht hast du auch schon gehört, dass ein Powernap nicht länger als 30 Minuten dauern sollte. Das stimmt mit der aktuellen Literatur überein. Diese besagt, dass kurze Nickerchen die kognitive Leistung stärker beeinflussen, als Powernaps von mehr als 30 Minuten. Eine mögliche Erklärung ist, dass längere Schlafphasen (> 30 Minuten) zu Schlafträgheit führen, so dass die Vorteile des Nickerchens erst verzögert bemerkbar sind. Die Schlafträgheit spiegelt den Übergang vom Schlafzustand in den Wachzustand und ist durch eine Verringerung der Denk- und Leistungsfähigkeit direkt nach dem Aufwachen gekennzeichnet. Diese Phase zwischen Schlafen und Aufwachen ist ein Zustand der Müdigkeit, Verwirrung und reduzierter Erregung. Die Schlafträgheit ist grösser nach einer längeren Schlafphase. Um diese Schlafträgheit zu vermeiden, sollte das Nickerchen folglich kurz sein (20-30 Minuten) und nicht am Ende der zirkadianen Phase stattfinden. Darüber hinaus können zu lange Powernaps am Tag die Qualität des nächtlichen Schlafs beeinträchtigen.

Wie geht Power napping eigentlich?

Wir wissen nun, dass ein Powernap maximal 20 bis 30 Minuten dauern und bestenfalls nach dem Mittagessen oder am frühen Nachmittag stattfinden sollte. Um diese kurze Auszeit optimal nutzen zu können, ist eine schnelle, angenehme Einschlafphase wichtig. Diese muss gelernt sein, wie auch das richtige Aufstehen nach dem Schläfchen. Wie das funktioniert, erfährst du hier.

 

Referenzen:
Dutheil, F., Danini, B., Bagheri, R., Fantini, M. L., Pereira, B., Moustafa, F., Trousselard, M., & Navel, V. (2021). Effects of a Short Daytime Nap on the Cognitive Performance: A Systematic Review and Meta-Analysis. International journal of environmental research and public health, 18(19), 10212.
Faraut, B., Andrillon, T., Vecchierini, M.-F. & Leger, D. (2017). Napping: A Public Health Issue. From Epidemiological to Laboratory Studies. Sleep Med. Rev., 35, 85–100.
Lau, H., Tucker, M.A. & Fishbein,W. (2010). Daytime Napping: Effects on Human Direct Associative and Relational Memory. Neurobiol. Learn Mem. 93, 554–560.
Webb, W. & Dinges, D. Cultural perspectives on napping and the siesta. In Sleep and Alertness: Chronobiological, Behavioral and Medical Aspects of Napping; Raven Press: New York, NY, USA, 1989; pp. 247–265.

Das könnte dich auch interessieren:

22. Juli 2022

Gleichgewicht

23. März 2022

Schlafprobleme

23. November 2021

Glück