Minimalismus – Ist weniger wirklich mehr?

Minimalismus

Im Frühling steht bei vielen ein Frühlingsputz an. Es herrscht das Bedürfnis alte, kaputte, kaum oder gar nicht benutzte Dinge auszusortieren, weiter zu verschenken oder zu entsorgen. Planst du auch dein Zuhause auszumisten und neue Ordnung zu schaffen? Weniger Objekte zu besitzen, soll angeblich nicht nur dein Zuhause ordentlich aussehen lassen, sondern auch dein Wohlbefinden positiv beeinflussen. Ob das tatsächlich stimmt und wie sich der sogenannte Minimalismus lebt, erfährst du in diesem Beitrag.

Was ist Minimalismus?

Wenn du im Duden nachschlägst, wirst du unter Minimalismus lesen, dass es sich dabei um eine bewusste Beschränkung auf ein Minimum (auf das Nötigste) handelt. Es ist also klar, dass es sich hierbei um eine freiwillige Einschränkung oder Reduktion auf möglichst wenige Dinge handelt. Wenn jemand beispielsweise aus finanziellen Gründen nur das Nötigste besitzt und sich nicht freiwillig dafür entschieden hat, sprechen wir nicht von Minimalismus. Wer sich für diesen Lebensstil entscheidet, möchte sich vom übermassigen Konsum und vom Überfluss im Leben distanzieren und sich besonders auf die eigenen Werte konzentrieren. Was ist dir besonders wichtig? Was brauchst du? Auf was kommt es in deinem Leben an?

Wie wirkt sich Minimalismus auf uns aus?

Die Forschergruppe von Joshua Hook und Kollegen veröffentlichte im Jahr 2021 eine Übersichtsarbeit, die den Zusammenhang zwischen Minimalismus und Wohlbefinden untersuchte. Sie schlossen 23 Studien in ihre Analyse mit ein. Dabei stellten sie fest, dass die Mehrheit der Studien einen positiven Zusammenhang zwischen diesen beiden Konstrukten aufwies. Das bedeutet, dass ein freiwilliger minimalistischer Lebensstil mit mehr Wohlbefinden assoziiert ist. Jedoch muss angemerkt werden, dass gewisse Studien keinen Zusammenhang aufzeigen konnten und gewisse eine gemischte Befundlage aufwiesen. Dies ist unter anderem auch auf die unterschiedliche Definition und Messung des Wohlbefindens zurückzuführen. Die Autor/innen nehmen an, dass eine bessere Kontrolle der Konsumwünsche seitens der untersuchten Personen für den positiven Zusammenhang verantwortlich ist. Die Personen sind sich bewusst was sie wollen und tätigen selten unüberlegte Impulskäufe. Zudem könnte es sein, dass Personen mit einem solchen Lebensstil ihre psychologischen Bedürfnisse wie Autonomie, Verbundenheit und Kompetenz besser erkennen und diese dann auch befriedigen können. Dies wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden aus.

Ist weniger also wirklich mehr?

Wie so oft ist auch der Minimalismus kein Rezept für jede und jeden, um zufriedener oder glücklicher zu sein. Ob ein minimalistisches Leben positive oder negative Effekte hat, scheint individuell abhängig zu sein. Weniger ist also nicht immer mehr – es kann auch tatsächlich einfach weniger sein. Enorm wichtig ist zudem, ob man sich freiwillig und bewusst für einen solchen Lebensstil entschiedet oder ob man von externen Einflüssen dazu gebracht wird. Ist also mehr mehr? Ein Leben im Übermass ist ebenfalls nicht ratsam. Mehr Gegenstände oder Objekte machen dich nicht automatisch glücklicher. Personen, die sich nur über den Konsum definieren, also meinen ihr Wohlbefinden sei vom Besitz (oder Menge) bestimmter Objekte abhängig, sind tendenziell unzufriedener, ängstlicher und neigen zu impulsiven Geldausgaben.

Studien konnten zudem zeigen, dass materielle Dinge weniger zufrieden machen als Erlebnisse und Erfahrungen. Sie sind optimaler für unser psychisches Wohlbefinden. Dies liegt unter anderem am Prozess der Adaption. Mit der Zeit gewöhnen wir uns an Zustände oder eben auch an Objekte. Wenn wir uns eine tolle Uhr kaufen oder geschenkt bekommen, haben wir besonders zu Beginn viel Freude daran. Es geht nicht lange und wir haben uns an die Uhr gewöhnt und sie verliert ihren anfänglichen Reiz. Manchmal passiert dieser Prozess schneller, als wir uns das wünschen. Bei gemachten Erfahrungen oder gemeinsamen Erlebnissen geschieht der Adaptionsprozess langsamer. Die Freude hält länger an. Zudem prägen solche Erlebnisse unsere Identität stärker als materielle Dinge. Erleben wir etwas mit anderen Menschen, verbindet uns das mit ihnen und manche Geschehnisse werden nie wieder vergessen. Wie auch bei Gegenständen besteht auch bei Erlebnissen die Gefahr, dass man immer mehr davon möchte. Jeder Ausflug, jede Reise muss noch aufregender und noch luxuriöser sein. So kann es passieren, dass wir immer mehr wollen und schlussendlich doch unzufrieden sind.


«Denke nicht so oft an das, was dir fehlt, sondern an das, was du hast.»
- Marc Aurel -


 

Tipps

  • Werde dir bewusst, welche Dinge dich umgeben. Häufig nehmen wir vieles gar nicht mehr richtig wahr und wissen nicht, was wir alles besitzen. Gehe das nächste Mal bewusst durch dein Zuhause und nimm deine Umgebung achtsam wahr. Halte inne und frage dich: Was brauche ich wirklich?
  • Es gibt nicht nur eine Form von Minimalismus. Für einige bedeutet es in ein Tiny House (ein Mini-Haus) zu ziehen – für andere maximal 100 Dinge zu besitzen. Was es für dich bedeutet, kannst nur du bestimmen. Du kannst deinen Besitz reduzieren ohne dass du sofort alle deine Besitztümer weggeben musst. Wenn du deinen Besitz beschränken möchtest, dann wähle eine Stufe, welche zu dir passt. Frage dich zum Beispiel, ob du gewisse Gegenstände auch mit anderen teilen kannst oder ob es wirklich nötig ist, alles selbst zu besitzen.
  • Wenn du dir unsicher bist, ob du dich von gewissen Dingen trennen möchtest oder nicht, kannst du sie in eine Kiste legen und für einen bestimmten Zeitraum in den Keller oder auf den Estrich stellen (z.B. drei Monate). Wenn deine gesetzte Frist abgelaufen ist und du keine dieser Gegenstände vermisst oder gebraucht hast, kannst du sie bei Gelegenheit verschenken oder weggeben. Mach jemandem eine Freude damit.
  • Gut möglich, dass du an gewissen Gegenständen enorm hängst auch wenn sie äusserlich schon lange nicht mehr sehr ansprechend aussehen und dir möglicherweise schon verschiedene Personen geraten haben, dich davon zu trennen. Dies liegt daran, dass wir Objekte oft mit Erlebnissen aus unserem Leben verbinden. Sie tragen somit auch zu unserer eigenen Identität bei. Behalte solche Gegenstände bis du selbst soweit bist, dich davon zu trennen. Denn wie du weisst: Weniger ist nicht immer mehr doch es lohnt sich, den eigenen Besitz immer mal wieder zu hinterfragen und sich bewusst zu werden was man alles besitzt und ob man es immer noch möchte oder braucht.


«Der beste Weg, um herauszufinden, was wir wirklich brauchen, ist, das loszuwerden, was wir nicht brauchen.»
- Marie Kondō -


Referenzen
Dudenredaktion. (o.D.). Minimalismus. In Duden online. Abgerufen am 19. April 2022, von https://www.duden.de/rechtschreibung/Minimalismus
Hook, J. N., Hodge, A. S., Zhang, H., Van Tongeren, D. R., & Davis, D. E. (2021). Minimalism, voluntary simplicity, and well-being: A systematic review of the empirical literature. The Journal of Positive Psychology, 1-12. https://doi.org/10.1080/17439760.2021.1991450
Schaarschmidt, T. (2020, 13. Januar). Ist weniger mehr? Spektrum. https://www.spektrum.de/news/minimalismus-ist-weniger-mehr/1695148

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