Mentale Stärke bedeutet, die Möglichkeit zu haben, unerwünschte innere Vorgänge zu beeinflussen

Mentale Stärke - Training

Mentale Stärke bedeutet, die Möglichkeit zu haben, unerwünschte innere Vorgänge zu beeinflussen.

Ich verwende mit Absicht nicht den Ausdruck «zu kontrollieren», denn bis dieses Niveau erreicht wird, muss man einen grossen Teil seines Lebens und Alltags mit dem Erlernen und der Übung mentaler Techniken verbringen. Das tun zum Beispiel viele asiatische Klostergemeinschaften oder Kampfsportler*innen. Für den normalen Alltag genügt zur Verbesserung der Lebensqualität bereits eine gezielte Beeinflussung mentaler Vorgänge anhand von einfachen Tricks.

Für die erste Abteilung Tricks nutzen wir dabei die Tatsache, dass die kleineren, alten Teile unseres Gehirns, ich fass sie als «Steinzeithirn» zusammen, nicht denken, sondern auf Impulse jeglicher Art lediglich reagieren. Folglich ist es für uns recht einfach möglich, selber Impulse bewusst zu produzieren, um eine gewünschte Reaktion zu erlangen.

Woher bezieht das «Steinzeithirn» normalerweise 24 Stunden am Tag Impulse?

A: Die Impulse entstehen in der Aussenwelt, und gelangen zum Steinzeithirn durch unsere Sinne wie Sehen, Hören, Riechen, Schmecken oder körperliche Berührungen und werden im Anschluss elektrisch und chemisch durch unsere internen Informationswege, vorwiegend Nervenübertragungen, weitergeleitet.

B: Die Impulse entstehen durch körperliche Vorgänge wie Verdauung, Schmerz, Mangel/Normalstand oder Überfluss verschiedenster Stoffe wie zum Beispiel Hormone oder Sauerstoff, durch unseren Blutdruck, die Herztätigkeit, Muskeltätigkeit und vieles mehr. Auch diese Impulse gelangen elektrisch und chemisch zum Steinzeithirn durch Nervenübertragung.

C: Die Impulse entstehen im Grosshirn, indem wir uns die Impulse von Punkt A und/oder Punkt B bewusst oder unbewusst sehr plastisch vorstellen. Auch von dort aus werden sie permanent zum Steinzeithirn übertragen.

Wenn Sie selber Impulse «produzieren» möchten, können Sie ebenfalls aus diesen drei Entstehungsmöglichkeiten auswählen. Zu jeder Möglichkeit greife ich im Folgenden je ein Beispiel auf. Fürs erste sollen zur Demonstration Impulse reichen, die eine Instinktreaktion auslösen. Das erleichtert die ersten Erfahrungen, da die Übungen bei allen Menschen mit beinahe gleichem Resultat und Zuverlässigkeit wirken.

Probieren Sie zuerst einmal einfach Folgendes aus:

Übung A - Impuls aus der Aussenwelt:
  • Schauen Sie sich das Video an:
  • Ziel: Lächeln
Übung B - Impuls aus körperlichen Vorgängen
  • Nehmen Sie folgende Körperhaltung ein: Strecken Sie Ihre Finger. Die Hände einfach nur öffnen, keine Spannung in die gestreckten Finger bringen! Strecken Sie Ihre Zehen in den Schuhen auf die gleiche Weise. Entspannen Sie Ihre Kiefermuskulatur, bringen Sie dazu einen Abstand von ca. 1 cm zwischen die oberen und die unteren Zahnreihen. Legen Sie die gestreckten Hände auf Ihren Bauch und achten Sie darauf, dass dieser sich beim Atmen bewegt. Atmen Sie entspannt während 3-5 Minuten ein und aus.
  • Ziel: Stress abbauen
Übung C - Impuls aus einer Vorstellung im Grosshirn:
  • Warten Sie, bis Sie das nächste Mal so richtig Hunger haben. Stellen Sie sich dann ganz plastisch Ihre Lieblingsspeise vor, also wie sie aussieht, wie sie riecht, wie sie sich anfühlt, wenn Sie reinbeissen, wie sie schmeckt und wie sie sich in Ihren Händen anfühlt.
  • Ziel: Körperreaktionen auslösen

Warum haben Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ziel der Übung erreicht?

Die Reaktion auf die Übung A sollte ein Lächeln sein. Auf sehr kleine Kinder, die gerade lachen oder lächeln, reagieren die meisten Menschen mit Entzücken und mit einer Spiegelreaktion des Verhaltens des Kindes.

Die Reaktion auf die Übung B sollte eine deutlich weniger angespannte Körperhaltung und eine verringerte Wahrnehmung von Stress-Gefühlen sein. Wenn Sie gestresst sind, werden Sie mit Sicherheit Ihre Kampf- (Hände/Arme) und Flucht- (Beine/Zehen) Muskulatur anspannen sowie Ihre Zähne zusammenbeissen. Wenn Sie nun aber die betroffene Muskulatur mechanisch entspannen kommt «Vegi» aus dem Takt und reagiert auf die entspannte Körperhaltung, die eigentlich zu «gefahrlos» gehört. Entsprechend verändern sich auch die Botenstoffe an den Nervenzellen. Als Folge davon fühlen wir uns entspannt. Darüber hinaus atmen wir bei Anspannung schnell und oben im Brustkorb anstatt entspannt im Bauch. Mit dieser kleinen Übung machen Sie nun ganz mechanisch von allem oben Beschriebenen genau das Gegenteil.

Die Reaktion auf die Übung C sollte eine spürbare Produktion von Speichel sein sowie eventuell ein «knurrender Magen» und Anstieg der Magensäure. «Vegi» reagiert dabei auf die sehr plastische Vorstellung in Ihrem Grosshirn, auf Ihr «Kopfkino». Diese Reaktion erfolgt, obschon Ihre Lieblingsspeise momentan gar nicht zum Verzehr vorhanden ist und Sie das genau wissen.

Werden Sie Kapitän Ihres Schiffes!

Wie Sie aus den obigen Übungen sehen, können Sie gewünschte Reaktionen sehr einfach und zuverlässig selber produzieren und damit Ihrem Steinzeithirn das Kommando zeitweise abnehmen. Dies vor allem, wenn «Vegi», die sich mit unserer modernen Welt oft schlecht auskennt, zwar mit bester Absicht, aber ziemlich unnötig unerwünschte Gedanken, Gefühle oder Körperreaktionen produziert. Zum Beispiel wenn Sie nachts nicht schlafen können oder immer wieder aufwachen, weil Ihnen belastende Gedanken durch den Kopf gehen. Da «Vegi» aufgrund der negativen Gedanken (Kopfkino) eine Gefahr wähnt, reagiert sie in bester Absicht wie in der Steinzeit. Wenn Sie dort eine unangenehme Begegnung in Ihrer Höhle mit einem Bären hatten und nun (mangels moderner Sicherheitstür) immer noch die Gefahr besteht, dass er sich nachts wieder in die Höhle schleichen könnte, ist es «Vegis» Job, Sie nicht schlafen zu lassen, egal wie müde Sie sind. Sie werden von ihr mit sehr viel Adrenalin versorgt und müssen kampfbereit sein, falls der Bär zurückkommt. Gleichzeitig sollten Sie intensiv planen, was Sie zu Ihrer Verteidigung tun könnten. Und selbst wenn Sie kurz einnicken, werden Sie beim kleinsten Geräusch sofort wieder wach sein, um sich verteidigen zu können. Was in der Steinzeit Ihr Überleben gesichert hat, ist in unserer modernen Welt manchmal ziemlich lästig. Obwohl Sie Ihr aktuelles modernes Problem vielleicht gar nicht mit Planung lösen können, denken Sie angetrieben von «Vegi» stundenlang nach, was Sie tun könnten oder hätten tun können, oder wachen nachts beim kleinsten Geräusch in voller Kampfstellung wieder auf. Dies ist eine klassische Situation, in der Sie mit mentalen Techniken «Vegi» das Kommando zeitweise abnehmen und wieder besser schlafen können.

Übung B würde da schon etwas helfen. Eine weitere Möglichkeit möchte ich Ihnen im kommenden Artikel vorstellen, denn zusätzlich zu Instinktreaktionen auf Impulse sind wir in der Lage, in unserem Grosshirn durch Lernvorgänge beliebige Impulse mit einer gewünschten Reaktion zu verbinden. Das ist etwas aufwendiger, erzielt aber mit der entsprechenden Übung fast genauso zuverlässig den gewünschten Effekt, wie Instinktreaktionen.

Dieser Beitrag wurde von Nicole Züsli (Psychologin lic. phil. I) verfasst.

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