Luftholen – Atmen
Seit fast 2000 Jahren existieren Atemtechniken. Und dies nicht ohne Grund, denn wer richtig atmet, kann Stress reduzieren, bleibt im Alltag gelassener und beeinflusst die Qualität seines Schlafes positiv.
Hast du dich bisher nicht oder nur gelegentlich mit deinem Atem auseinandergesetzt, dann wird es Zeit damit zu beginnen und verschiedene Atemtechniken auszuprobieren!
Atemtechniken lernen und Stress reduzieren
In stressigen Situationen einmal tief «durchatmen» - wer kennt dieses Bedürfnis nicht? Dabei handelt es sich um eine Redensart, die nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. In diversen Studien konnte während den letzten Jahren ein kausaler Zusammenhang zwischen Atemtechniken und Stressreduktion nachgewiesen werden. Durch bewusstes und langsames Atmen ist es zum Beispiel möglich, sich selber zu beruhigen. Weiter zeigen Studien, dass durch Atemtechniken die Qualität des Schlafes signifikant verbessert werden kann. Auch ist nach aktuellem Stand der Forschung bekannt, dass mittels Atemtechniken wie beispielsweise eine Verlangsamung der Atmung oder eine vertieft verlangsamte Atmung, Lampenfieber reduziert, Bluthochdruck gesenkt, Schmerzen gelindert und Angstgefühle reduziert werden können. Wir finden dies ist Grund genug, um sich intensiver mit dem Thema zu befassen!
Unsere Atmung funktioniert autonom. Wir brauchen uns im Alltag, sofern es uns gut geht und wir gesund sind, nicht darum zu kümmern. Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen - immer weiter, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen, reguliert unser autonomes Nervensystem, unseren Atemrhythmus, tagein tagaus. Zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. Vielleicht rückt die Atmung deshalb gerne in Vergessenheit. Da sie in engem Zusammenhang mit unserer emotionalen Befindlichkeit steht, sollten wir ihr unbedingt mehr Aufmerksamkeit schenken und lernen, die Wirkung unserer Atmung auf unseren Körper und Geist bewusst zu nutzen.
Wie ist dein Atem in Stresssituationen?
Stressmomente wie Anspannung, Unsicherheit und Angst führen dazu, dass wir den Atem anhalten oder lediglich in kurzen, schnellen Frequenzen über unseren Brustkorb atmen. Durch diese schnelle und flache Atmung wird die Stressreaktion im Körper weiter aktiviert und unser ganzes System wird in Alarmbereitschaft versetzt. Sind wir hingegen ruhig, entspannt, fühlen uns sicher und wohl, atmen wir in langen, langsamen Frequenzen bis tief in den Bauchraum hinein.
Da wir in unserem Alltag kaum an unseren Atem denken, greifen wir in Stresssituationen oft auf alles Mögliche zurück. Während gewisse Menschen versuchen sich mit ihrer Lieblingsschokolade zu beruhigen, trinken andere Anti-Stress-Tees oder rauchen eine Zigarette. Dabei ist bewusstes Atmen das beste Anti-Stress-Werkzeug, denn es ist jederzeit verfügbar, funktioniert von alleine und ist völlig kostenlos!
Anstatt Unmengen von Schokolade zu konsumieren, zu rauchen wie ein Schlot oder Anti-Stress-Tee zu trinken bis uns übel wird, sollten wir in Stresssituationen lieber einen kurzen Augenblick innehalten und unsere Aufmerksamkeit auf unsere Atmung richten.
«Atme und lass sein.»
(Jon Kabat-Zinn)
In diesem Beitrag möchten wir dir simple Atemtechniken zur Hand geben, mit denen du im Alltag sowie in Stressmomenten zu mehr Ruhe und Gelassenheit findest. Du kannst gleich mit dem Selbstversuch starten!
Atemtechnik 1: Tief in den Bauch atmen
Die bewusste, tiefe Bauchatmung eignet sich, wenn du eine kurze Phase der Entspannung benötigst oder wenn du dich sammeln möchtest. Es ist eine einfache, überall anwendbare Atemtechnik, die du sowohl zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Schule oder auch im Tram anwenden kannst. Je nachdem wo du gerade bist, kannst du dich dafür auf den Rücken legen oder dich mit geradem Rücken hinsetzen.
- Lege die Hände auf deinen Bauch, so dass sich die Fingerspitzen leicht berühren.
- Atme möglichst gleichmässig und ohne Anstrengung ein und aus.
- Lass zuerst die Luft in deinen Bauch und anschliessend in deine Brust fliessen.
- Spüre, wie sich dein Bauch bei der Einatmung leicht nach aussen wölbt und sich deine Finder auseinander bewegen.
- Nimm wahr, wie sich dein Bauch bei der Ausatmung spürbar nach innen, in Richtung Wirbelsäule bewegt.
- Atme vollständig aus und atme erst wieder ein, wenn du das Bedürfnis dazu verspürst. Dies kann durchaus ein paar Sekunden dauern.
- Achte darauf, durch die Nase einzuatmen.
- Wiederhole die bewusste tiefe Bauchatmung solange, bis du ein Gefühl der Ruhe und Entspannung in deinem Körper wahrnimmst.
Bei dieser Atemtechnik wird die eingeatmete Luftmenge erhöht. Dadurch wird dein Körper mit mehr Sauerstoff versorgt und Entspannung setzt ein. Sollte es dir am Anfang leicht schwindlig werden, ist dies kein Grund zur Beunruhigung. Diese Reaktion kann auf die vermehrte Sauerstoffzufuhr zurückgeführt werden und sollte sich rasch wieder normalisieren.
Atemtechnik 2: «Verlängerte Ausatmung»
Diese Atemtechnik kann dir helfen, schneller aus einer Stressreaktion herauszukommen. Damit sie dir in einer Belastungssituation helfen kann, solltest du dich davor mit dieser Technik vertraut machen. Regelmässiges, möglichst tägliches Üben ist wichtig, damit du die Technik in einer akuten Stressreaktion einfach anwenden kannst. Der Vorteil ist, dass du diese Atemtechnik an jedem Ort und zu jeder Zeit unauffällig anwenden kannst. Das regelmässige Üben sollte somit nicht allzu schwierig sein.
Nimm eine aufrechte und entspannte Position ein. Das kann im Sitzen, Stehen oder Liegen sein.
- Bring deine Aufmerksamkeit nun zu deiner Atmung und beobachte die nächsten 5 bis 10 normalen Atemzüge.
- Spüre dabei, wie der Atem in deinen Körper hinein- und wieder hinausfliesst.
- Vertiefe nun deine Atemzüge etwas und verlangsame dabei die Ausatmung.
- Atme auf 3 Takte (zähle innerlich auf 3) ein und atme etwa doppelt so lange (also auf 6 Takte – zähle innerlich auf 6) aus.
- Wiederhole diesen Ablauf für die nächsten 10 bis 12 Atemzüge.
- Komme dann wieder zu deinem normalen Atemrhythmus zurück.
- Spüre nach und versuch die Entspannung und Ruhe in deinem Körper wahrzunehmen.
Du kannst du die Übung im Zug, Park, Büro oder Zuhause unter Anleitung ganz einfach durchführen.
Atemtechnik 3: Dem Atem näherkommen
Bei dieser Atemtechnik legst den Fokus auf einen bestimmten Aspekt deines Atems. Setz dich aufrecht hin oder lege dich bequem auf den Rücken. Richte deine Aufmerksamkeit nun z.B. auf deine Nasenflügel.
- Beobachte zunächst den Strom deines Atems.
- Nimm wahr, wie die Luft über deine Nasenlöcher ein- und ausströmt.
- Werde dir bewusst, dass du mit dem Einatmen Sauerstoff aufnimmst, dein Körper aktiviert wird - während mit dem Ausatmen ein Gefühl des Loslassens einhergeht.
- Bleibe für einen Augenblick mit deiner vollen Konzentration bei diesem Wechsel von: Einatmen – Aufnehmen - Ausatmen – Loslassen.
- Wenn du magst, gehe nach einigen Atemzügen einen Schritt weiter, indem du versuchst die Temperatur der jeweiligen Luftströme wahrzunehmen. Spüre die Frische und Kühle des Einatmens und die Wärme der Atemluft beim Ausatmen.
- Führe diese Übung mindestens so lange durch, bis du ein Gefühl der Ruhe und Entspannung in deinem Körper wahrnimmst.
Diese Technik unterstützt dich vor allem dabei, ein Bewusstsein für den Austausch mit der Umgebung zu schaffen und im Hier und Jetzt zu sein.
Atemtechnik 4: 4610 (4711)
Der Name dieser Atemtechnik steht für die Länge des Ein- und Ausatmens, sowie für die Anzahl Wiederholungen. Folglich bedeutet 4610: 4 Sekunden einatmen, 6 Sekunden ausatmen, 10 Wiederholungen. Wenn du dir die Zahl 4711 aufgrund des Markennamens eines Eau de Cologne besser merken kannst, pass die Übung einfach an.
Setz dich bequem und aufrecht hin oder lege dich auf den Rücken.
- Atme 4 Sekunden (innerlich auf 4 zählen) durch die Nase ein.
- Atme 6 Sekunden (innerlich auf 6 zählen) wieder durch die Nase aus.
- Wiederhole dies für 10 Atemzüge.
- Spüre nach wie sich dein Körper anfühlt und achte darauf, ob sich eine innere Ruhe und Entspannung einstellt.
Dies ist eine simple Atemtechnik, die du überall und völlig unbemerkt anwenden kannst.
Atemtechnik 5: Ujjayi Atmung – Atmen wie Darth Vader
Allen Yogi und Yoginis ist die Ujjayi Atmung sicherlich ein Begriff, da sie eine der weitverbreitesten «Yoga-Atemübungen» ist. In den neueren Yogastilen wird während den Yogaübungen (Asanas) fast durchgängig Ujjayi geatmet. Bei der Ujjayi Atmung erzeugst du sowohl beim Ein- wie auch beim Ausatmen mit geschlossenem Mund ein Hauchgeräusch oder auch einen fliessenden Reibelaut. Dies entsteht dadurch, dass sich die Muskeln der Stimmritze verengen. Die Ujjayi Atmung ist somit eine hörbare Atmung. Das Hauchgeräusch ist jedoch nur so stark, dass nur du es hören kannst. Für andere Personen im Raum ist es in der Regel nicht hörbar.
Diese Atemtechnik beruhigt den Geist und kann zu mehr Lebensenergie führen. Indem du deinen Atem hörbar machst, erhältst du automatisch Feedback über die Frequenz, Tiefe und eventuelle Nervosität deines Atems. Das Schöne an dieser Atemtechnik ist, dass du sie in jeder Situation und Lebenslage einsetzen kannst.
Wenn du dir noch nicht richtig vorstellen kannst, wie die Ujjayi Atmung funktioniert, dann findest du auf Youtube eine Vielzahl von Videos mit Anleitungen.
Atemtechnik 6: Bhramari-Atmung oder «Summ summ summ, die Biene summt herum»
Die Bhramari-Atmung wird häufig als Bienenton-Atmung übersetzt. Dies deshalb, weil bei der Bhramari-Atemtechnik ein bienenartiger Klang erzeugt wird. Wie die Ujjayi Atmung stammt auch diese Atemtechnik aus dem Yoga und gehört zu den Mahakumbhakas, den acht grossen Atemübungen im Yoga. Ziel dieser Atemtechnik ist, über den Klang zur Ruhe zu kommen. Indem bewusst ein äusserer Klang erzeugt wird – eben dieser Bienenton – kann die innere Ruhe besser wahrgenommen werden. Der Bhramari-Atmung werden im Yoga weitere Wirkungen wie die Reinigung der Kehle und die Reduktion von Husten und Heiserkeit zugeschrieben.
Wie funktioniert nun eine solche Bienenton-Atmung?
Setze dich auch für diese Atemübung bequem hin. Indem du mit einem Schnarchton einatmest, erzeugst du den Klang einer männlichen Biene. Der Mund bleibt beim Einatmen geschlossen. Stell dir dabei vor, du würdest genüsslich im Schlaf schnarchen.
Das Ausatmen steht hingegen für den Klang einer weiblichen Biene. Dies ist der Klang, den du dir vermutlich unter einem Bienenton vorstellst. Atme also mit geschlossenem Mund aus und erzeuge dabei einen Summton.
Zu Beginn erscheint die Bhramari-Atmung meist befremdlich. Dennoch lohnt es sich, sich einmal auf die Übung einzulassen. Probiere es in Ruhe für dich aus. Während der Übung kannst du gut auch deine Augen schliessen, um deine Konzentration noch besser auf deine Atmung zu richten. Spüre, wie bei den anderen Atemübungen, im Anschluss an die Übung nach und nimm wahr, wie sich dein Körper anfühlt. Nimm dir dafür zwei, drei Atemzüge Zeit, um in die Stille und Ruhe hinein zu fühlen.
Weitere Atemtechniken mit Audio-Anleitungen:
Referenzen:
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