Pilates für Körper & Geist: So stärkst du Kraft, Balance und Flexibilität

Pilates, das neue Yoga?

Die Trainingsmethode Pilates hat die sozialen Medien erobert – Prominente und Influencer/innen schwören seit längerem auf die Kombination aus Kraft, Beweglichkeit und Achtsamkeit. Und die stetig wachsende Zahl an Pilates-Studios zeigt: Der Trend hält an. Immer mehr Menschen entdecken die elegante und wirkungsvolle Trainingsmethode für sich.
Doch was steckt wirklich hinter dem Hype? Woher kommt Pilates, was macht die Methode so besonders – und worin unterscheidet sie sich von Yoga?

Ursprung und Philosophie

Die Pilates-Methode wurde von Joseph Hubertus Pilates (1880–1967) entwickelt. Er verband Elemente aus Gymnastik, Yoga, Tanz, Kampfsport und Philosophie zu einem ganzheitlichen Trainingskonzept, das Körper und Geist in Einklang bringen sollte. Nach Stationen in Hamburg und England wanderte Pilates 1926 in die USA aus und eröffnete in New York sein erstes Studio. Dort fand seine Methode zunächst vor allem bei professionellen Tänzer/innen grossen Anklang – sie schätzten die Kombination aus Kraftaufbau, Körperkontrolle und schneller Rehabilitation nach Verletzungen. Bis in die 1980er-Jahre blieb Pilates vor allem in der Künstlerszene verbreitet, bevor die Methode in den 1990er-Jahren auch in der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Heute wird Pilates weltweit im Gesundheits-, Fitness- und Therapiebereich praktiziert. Es gilt als Ganzkörpertraining und zugleich als Mind-Body-Programm, bei dem Bewegung, Atmung, Konzentration und Kontrolle zu einer Einheit verschmelzen. Im Zentrum steht das sogenannte „Powerhouse“ - die tief liegende Bauch-, Rücken- und Beckenbodenmuskulatur. Sie stabilisiert den Rumpf und unterstützt nahezu jede Bewegung des Körpers.

Die sechs zentralen Prinzipien

Pilates basiert auf sechs zentralen Prinzipien, die das Fundament des Trainings bilden: Zentrierung, Konzentration, Kontrolle, Präzision, Bewegungsfluss und Atmung. Sie fördern ein bewusstes, effizientes und zugleich schonendes Training, welches die Körperhaltung und Koordination nachhaltig verbessert und die Kernstärke trainiert.

  1. Zentrierung: Das Powerhouse gilt als zentrales Energiezentrum. Mehrere Muskelgruppen werden gleichzeitig aktiviert und koordiniert, um Stabilität und Kraft zu erzeugen.
  2. Konzentration: Pilates erfordert eine hohe geistige Präsenz. Jede Übung wird mit voller Auf-merksamkeit ausgeführt, um eine optimale Bewegung, Haltung und Muskelspannung zu haben. Diese bewusste Fokussierung schärft das Körperbewusstsein (Body Awareness) und fördert die Achtsamkeit im Training.
  3. Kontrolle: Alle Bewegungen sollen bewusst, langsam und präzise erfolgen – nicht hastig. Das steigert die Qualität der Bewegung und beugt Fehlbelastungen vor.
  4. Präzision: Jede Bewegung hat ein klares Ziel und wird mit Genauigkeit ausgeführt. Das sorgt dafür, dass die richtigen Muskeln aktiviert werden und die gewünschten Verbesserungen in Haltung, Kraft und Beweglichkeit erzielt werden.
  5. Fluss: Die Übungen gehen harmonisch und geschmeidig ineinander über. Dieser Bewegungsfluss fördert die Koordination, Eleganz und Ökonomie der Bewegung.
  6. Atmung: Die bewusste Atmung ist das verbindende Element aller Übungen. Sie wird gezielt mit den Bewegungen koordiniert und unterstützt die Aktivierung der Rumpfmuskulatur. Häufig kommen Zwerchfell- und Rippenatmung (Wölbung des Bauchs nach aussen und innen) zum Einsatz.

Trainingsarten im Pilates

Pilates kann auf verschiedene Weisen praktiziert werden – auf der Matte oder an speziell entwickelten Geräten. Beide Varianten beruhen auf denselben Prinzipien, unterscheiden sich jedoch in ihrer Ausstattung und Ausführung.

Matten-Pilates: Wie der Name schon verrät, wird beim Matten-Pilates überwiegend mit dem eigenen Körpergewicht gearbeitet. Die Belastung wird dabei durch die Eigenkraft gesteuert. Im Mittelpunkt stehen die korrekte Körperausrichtung und die Aktivierung des Powerhouse. Matten-Pilates lässt sich leicht umsetzen, da es platzsparend und ohne grosse Hilfsmittel auskommt. Zudem ist es oft kostengünstiger, denn eine Matte genügt, um zu starten. Damit ist das Training ideal für zu Hause oder unterwegs. Zur Abwechslung können kleine Hilfsgeräte wie Pilates-Bälle, Rollen oder Ringe eingesetzt werden, um die Übungen zu variieren oder die Intensität zu steigern.

Geräte-Pilates: Beim Geräte-Pilates kommt spezielles Equipment zum Einsatz – allen voran der Reformer, das bekannteste Pilates-Gerät. Anders als herkömmliche Fitnessgeräte arbeitet der Reformer nicht mit Gewichten, sondern mit einem Federsystem, bei dem der Widerstand individuell anpasst werden kann. Dadurch wird eine besonders kontrollierte Bewegungsausführung in geführten Bewegungsmustern ermöglicht.
Der Reformer ermöglicht eine Vielzahl an Kräftigungs-, Mobilisations- und Dehnübungen. Ein grosser Vorteil dieser Trainingsform ist die Förderung des antagonistischen Prinzips: Bei jeder Bewegung werden nicht nur die Zielmuskeln (Agonist), sondern auch deren Gegenspieler (Antagonist) aktiviert. Das sorgt für eine ausgewogene, gleichmässige Kräftigung und verbesserte muskuläre Balance.
Geräte-Pilates wird häufig in Kleingruppen oder im Einzeltraining in spezialisierten Studios sowie als therapeutisches Instrument in physiotherapeutischen Praxen angeboten.

Wirkung und Vorteile von Pilates

Die Wirksamkeit der Pilates-Methode wurde in zahlreichen Studien untersucht, die eine Vielzahl positiver Effekte belegen.
Pilates führt nachweislich zu Verbesserungen in verschiedenen körperlichen Bereichen. Besonders häufig werden eine gesteigerte Flexibilität und eine erhöhte Kraftausdauer beschrieben – vor allem in der Bauch- und Rückenmuskulatur. Auch die Muskelkraft kann sich durch regelmässiges Training erhöhen, sowohl im Rumpf als auch in den Extremitäten. Zudem kann Pilates den Bewegungsumfang (Range of Motion) erweitern. Durch die gezielte Kräftigung und Mobilisierung hilft regelmässiges Training, Verletzungen vorzubeugen und chronische Schmerzen zu lindern.

Darüber hinaus zeigen Studien, dass Pilates zu einer aufrechteren Körperhaltung, einer stabileren Rumpfposition und einer verbesserten Bewegungskoordination beiträgt. Diese Effekte fördern die Körperwahrnehmung und steigern die Bewegungsqualität im Alltag. Durch die bewusste Ausrichtung des Körpers und die Aktivierung der tief liegenden Rumpfmuskulatur wird zudem die dynamische als auch statische Balance nachhaltig verbessert.

Als sogenanntes Mind-Body-Training wirkt Pilates nicht nur auf den Körper, sondern auch auf das mentale Wohlbefinden. Die Verbindung von kontrollierter Atmung, bewusster Bewegung und Konzentration fördert Achtsamkeit, Fokussierung und ein gesteigertes Körperbewusstsein. Darüber hinaus zeigen Forschungsergebnisse positive Einflüsse auf Stimmung, Schlafqualität, Selbstwirksamkeit und Lebenszufriedenheit.

Yoga oder Pilates?

Yoga zählt – ebenso wie Pilates – zu den beliebtesten Trainingsformen unserer Zeit. Beide fördern Beweglichkeit, Kraft und Körperbewusstsein, setzen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte. Yoga hat seine Wurzeln in der indischen Philosophie und versteht sich als ganzheitliche, jahrtausendealte Praxis, die Körper, Geist und Seele in Einklang bringt. Die Lehre stellt nicht primär die Bewegung in den Mittelpunkt, sondern begreift die körperlichen Übungen als Teil eines achtgliedrigen Pfades, der zur Selbsterkenntnis führen soll. Theoretisch „macht“ man also nicht Yoga, sondern lebt es. Im Laufe der Zeit haben sich zahlreiche Stilrichtungen entwickelt – von spirituell-philosophischen bis hin zu modernen, körperorientierten Ansätzen. Atemkontrolle und Meditation spielen dabei in allen Formen eine zentrale Rolle. Aus dieser Beschreibung lassen sich die auffälligsten Unterschiede zwischen beiden Methoden ableiten. Es zeigt die unterschiedliche Philosophie der Trainingsformen auf: Yoga mit seinem ganzheitlichen Ansatz, der weit über die körperliche Ebene hinausgeht, und Pilates mit seinem klar bewegungszentrierten Fokus. Während Pilates sowohl auf der Matte als auch an speziellen Geräten praktiziert wird, kommt Yoga in der Regel mit wenigen oder keinen Hilfsmitteln aus.
Beide Methoden fördern die Verbindung von Körper und Geist, nutzen die Atmung als zentrales Element, stärken die Muskulatur, verbessern die Haltung und steigern die Beweglichkeit – auf eine sanfte und gelenkschonende Weise. Welche Methode besser passt, hängt letztlich von den individuellen Bedürfnissen, Zielen und Vorlieben ab.
Am besten: einfach ausprobieren – beide Varianten bieten vielfältige Möglichkeiten und Stile, die je nach Bedürfnis und Situation gewählt werden können.

Worauf man achten sollte

Gerade Anfänger/innen oder Personen mit gesundheitlichen Beschwerden sollten behutsam starten. Eine korrekte Ausführung ist dabei zentral, denn eine falsche Haltung – etwa ein zu starkes Hohlkreuz – kann zu Verspannungen, Rückenschmerzen oder gar Bandscheibenproblemen führen.
Deshalb gilt: Qualität vor Quantität – lieber weniger Wiederholungen, dafür sauber ausgeführt. Besonders zu Beginn kann eine professionelle Anleitung hilfreich sein, um die Grundlagen korrekt zu erlernen und Fehlhaltungen zu vermeiden.

Pilates ist weit mehr als ein kurzlebiger Fitnesstrend – es ist ein durchdachtes, ganzheitliches Training, das sowohl körperliche als auch mentale Vorteile mit sich bringt. Entscheidend ist, wie so oft, die Regelmässigkeit – denn nur wer dranbleibt, profitiert langfristig. Ob auf der Matte oder am Gerät: Wer regelmässig übt, verbessert Haltung, Kraft, Beweglichkeit und mentale Balance – und tut sich auf sanfte Weise rundum etwas Gutes.

 

Referenzen
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